Welcher Hund passt wirklich zu dir? Die 10 grössten Fehler bei der Auswahl | Episode 16

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Lesezeit 14 min

Einen Hund in die Familie zu holen, ist eine emotionale Entscheidung – aber sie sollte niemals unüberlegt getroffen werden. „Welcher Hund passt zu mir?“ ist keine Frage, die man sich erst stellt, wenn das süße Foto online auftaucht oder ein spontaner Tierheim-Besuch ansteht. Es ist eine Entscheidung, die Verantwortung für viele Jahre bedeutet. Rasse, Charakter, Energielevel, Größe, Pflegeaufwand und gesundheitliche Disposition sind Faktoren, die individuell passen müssen. Viele Menschen unterschätzen dabei, wie wichtig eine ehrliche Selbsteinschätzung ist: Wie sieht mein Alltag aus? Welche Aktivitäten kann und will ich mit Hund teilen? Habe ich genügend Zeit und Ressourcen? Und vor allem: Bin ich bereit, auch in schwierigen Phasen Verantwortung zu übernehmen?

Dieser Artikel beleuchtet die zehn häufigsten Fehler bei der Auswahl eines Hundes , erklärt, warum Rassebeschreibungen oft irreführend sind, und gibt wertvolle Einblicke, worauf es wirklich ankommt. Ziel ist es, nicht nur Fehlentscheidungen zu vermeiden, sondern ein realistisches Verständnis für die enorme Verantwortung hinter der Hundehaltung zu schaffen. 

Rasseeigenschaften und Genetik

Fehler 1: Wahl nach Optik

Viele Menschen wählen einen Hund nach dem ersten Eindruck – großes Kuschelfell, blaue Augen oder eine außergewöhnliche Fellfarbe wie Merle wirken anziehend. Doch die Wahl nach Optik ist oft der größte Fehler bei der Frage „Welcher Hund passt zu mir?“. Denn hinter modischen Merkmalen verbergen sich häufig schwerwiegende gesundheitliche und verhaltensbezogene Probleme. Besonders beliebt sind kurze Schnauzen und große Augen , die an ein Baby erinnern. Die Forschung zeigt jedoch, dass gerade brachyzephale Rassen (z. B. Französische Bulldogge, Mops) unter Atemnot, Zahnfehlstellungen und Augenkrankheiten leiden. Auch extreme Fellfarben wie Merle oder stark aufgehelltes Weiß werden inzwischen kritisch gesehen: Genetische Untersuchungen belegen, dass diese Modefarben vermehrt mit Taubheit, Augenmissbildungen und Hauterkrankungen einhergehen. Wer den Hund nur nach dem Trend auswählt, erkauft sich also oft eine hohe Tierarztrechnung – und dem Tier wird ein Leben mit vermeidbaren Leiden zugemutet. Hinzu kommt: Hunde werden seit Jahrhunderten für bestimmte Aufgaben gezüchtet. Hütehunde reagieren empfindlich auf Bewegungsreize, Terrier sind hartnäckige Jäger, und Molosser sind wachsamer als viele andere. Diese genetischen Programme lassen sich durch Erziehung nur begrenzt verändern. 

Aus kynologischer Sicht ist es sinnvoller, sich zuerst mit den Anforderungen des Hundes zu beschäftigen: Welche Aktivität braucht die Rasse? Wie stark ist der Jagd‑ oder Schutztrieb? Benötigt das Tier viel Fellpflege oder kann es problemlos mit städtischem Lärm umgehen? Erst wenn diese Fragen zur eigenen Lebenssituation passen, sollte man sich für einen Hund entscheiden – unabhängig davon, ob die Farbe dem aktuellen Trend entspricht. Auch Mischlinge können wunderbare Begleiter sein, aber sie bringen eine Mischung von Genen mit, deren Eigenschaften man vorher nicht exakt abschätzen kann.


Fehler 2: Veranlagungen ignorieren

Ein Hund, der sich nicht an seinem Menschen orientiert, übernimmt instinktiv selbst die Führung. Das passiert häufig unbewusst: Wenn du dich ständig nach deinem Hund umschaust oder ihm erlaubst, den Weg zu bestimmen, sieht der Hund darin die Aufforderung, die Führung zu übernehmen.

Hunde orientieren sich an klaren Strukturen und Signalen. Ohne diese Strukturen entscheidet dein Hund eigenständig, wohin er gehen möchte, und zieht an der Leine. Dieses Verhalten wird durch die Umwelt zusätzlich verstärkt – etwa durch spannende Gerüche oder Reize, die den Hund ablenken.

Ähnlich verhält es sich bei Jagdhunden: Ob Vorstehhund, Retriever oder Laufhund – ihre Sinne, ihre Ausdauer und ihre Jagdsequenzen sind tief in den Genen verankert. Diese Impulse lassen sich managen , aber niemals vollständig abtrainieren. Wer denkt, er könne einem Weimaraner die Jagdpassion „aberziehen“, wird langfristig scheitern und den Hund womöglich in seiner Lebensqualität einschränken.

Molosser und andere Wach- oder Schutzhunderassen sind wiederum auf Reizfilterung, Territorialverhalten und eine gewisse Eigenständigkeit gezüchtet. Sie treffen oft selbstständig Entscheidungen, reagieren sensibel auf fremde Reize und brauchen von Anfang an einen klaren, sicheren Rahmen , um in einer modernen Gesellschaft zurechtzukommen.

Kynologisch betrachtet sind diese Eigenschaften keine „Fehler“ des Hundes, sondern ein Spiegel seiner Selektion. Psychologisch entsteht die Frustration oft beim Halter, wenn er Erwartungen hat, die der genetischen Realität des Hundes widersprechen. Wer die Veranlagungen seines Hundes respektiert und kanalisiert, schafft die Basis für ein harmonisches Miteinander – wer sie ignoriert, erzeugt Stress auf beiden Seiten.

Bedürfnisse und Lebensstil

Fehler 3: Unterschätzter Zeitaufwand

Einer der größten und gleichzeitig am häufigsten verdrängten Faktoren bei der Hundewahl ist der tatsächliche Zeitaufwand , den ein Hund erfordert. Viele Menschen stellen sich das Zusammenleben mit einem Hund romantisch vor – gemeinsame Spaziergänge, Kuscheln auf dem Sofa, ab und zu etwas Training. Die Realität sieht oft anders aus: Ein Hund braucht verlässliche Routinen, tägliche körperliche Auslastung, geistige Beschäftigung und ausreichend Ruhephasen , die in den Alltag eingeplant werden müssen.

Gerade wer täglich acht bis zehn Stunden arbeitet und zusätzlich Hobbys, Sport oder ein aktives Sozialleben pflegt, sollte ehrlich prüfen, wie viel Zeit realistisch für Spaziergänge, Training, Pflege und gemeinsame Entspannung bleibt . Hunde sind keine „Pausenfüller“, die man zwischen Termine schiebt – sie sind Lebewesen mit eigenen Bedürfnissen, die sich nicht an unseren eng getakteten Kalender anpassen können.

Kynologisch betrachtet ist Unterforderung genauso problematisch wie Überforderung : Ein unterbeschäftigter Arbeitshund kann Verhaltensauffälligkeiten entwickeln, während ein Hund ohne ausreichend Ruhe und Rückzugsmöglichkeiten dauerhaft gestresst wird. Beide Extreme belasten nicht nur den Hund, sondern auch das Zusammenleben.

Auch die Lebensphase spielt eine Rolle: Ein junger, aktiver Hund fordert dich ganz anders als ein Senior. Hinzu kommen Urlaube, Geschäftsreisen oder Krankheit – wer kümmert sich in dieser Zeit um den Hund?


Tipp: Führe vor der Anschaffung eines Hundes ein „Testprotokoll“ für eine Woche: Plane täglich so viel Zeit für Spaziergänge, Training und Ruhephasen ein, wie es später mit Hund nötig wäre. So merkst du, ob dein aktueller Lebensstil und die Bedürfnisse eines Hundes wirklich zusammenpassen.


Fehler 4: Langfristige Planung ignoriert

Ein Hund ist keine kurzfristige Anschaffung , sondern eine Verpflichtung über 10 bis 15 Jahre – manchmal sogar länger . In dieser Zeit kann sich dein Leben massiv verändern: eine neue Beziehung, eine Trennung, ein Jobwechsel mit längeren Arbeitszeiten, ein Umzug in eine kleinere Wohnung oder ein anderes Land, Nachwuchs in der Familie oder gesundheitliche Einschränkungen. All diese Faktoren können das Zusammenleben mit einem Hund grundlegend beeinflussen.

Oft wird dieser Aspekt vor der Anschaffung komplett ausgeblendet , weil die Vorfreude auf den Hund überwiegt. Doch Hunde sind in ihrem Wohlbefinden stark von Kontinuität und Verlässlichkeit abhängig. Ein ständiger Wechsel der Bezugspersonen, lange Phasen der Vernachlässigung oder gar die Abgabe ins Tierheim sind für sie hoch belastend – und in vielen Fällen vermeidbar, wenn man schon zu Beginn realistisch plant.

Kynologisch betrachtet hat die sichere Bindung zu einer konstanten Bezugsperson eine entscheidende Bedeutung für die psychische Stabilität des Hundes. Veränderungen im sozialen Umfeld, insbesondere der Verlust der Hauptbezugsperson, können zu anhaltendem Stress führen und Verhaltensprobleme begünstigen.

Psychologisch gesehen neigen Menschen dazu, zukünftige Herausforderungen zu unterschätzen – ein Phänomen, das in der Verhaltensforschung als „Optimismus-Bias“ bekannt ist. Das führt dazu, dass wir uns mögliche Probleme zu schönreden oder schlicht ignorieren, bis sie eintreten.


Wichtig zu wissen: Überlege schon vor der Anschaffung, wer sich um den Hund kümmert, wenn du krank wirst, dich trennst oder beruflich stark eingespannt bist. Lege im Idealfall ein Netzwerk aus Familie, Freunden oder Hundesittern an, auf das du im Notfall zurückgreifen kannst.

Fehler 5: Soziale Bedürfnisse projizieren

Viele Menschen wünschen sich einen Hund, weil sie Gesellschaft, Nähe und emotionale Wärme suchen. Und ja – Hunde können diese Bedürfnisse in beeindruckender Weise erfüllen: Sie sind treu, urteilen nicht, sind immer präsent und schenken Zuneigung ohne Vorbehalte. Doch genau hier liegt die Gefahr: Wer einen Hund als primären Ersatz für menschliche Bindungen sieht, läuft Gefahr, seine Rolle zu verzerren und ihn zu überfordern.

Kynologisch betrachtet leben Hunde in einem sozialen Gefüge, das klare Strukturen und artgerechte Kommunikation erfordert. Wird der Hund in eine menschliche Partner-, Kinder- oder Freundesrolle gedrängt , entstehen oft Konflikte zwischen seinen Bedürfnissen und den Erwartungen des Menschen . So kann ein Hund z. B. gestresst reagieren, wenn er permanent Nähe geben soll, obwohl er Rückzug braucht, oder wenn er wie ein „Therapeut“ behandelt wird, obwohl er selbst Erlebnisse verarbeiten muss.

Psychologisch ist diese Projektion häufig eine Form von emotionaler Kompensation . Fehlen stabile soziale Kontakte zu anderen Menschen, füllt der Hund diese Lücke – was kurzfristig stabilisierend wirken kann, langfristig jedoch emotionale Abhängigkeit erzeugt. Das kann sowohl die Selbstständigkeit des Menschen als auch das Wohlbefinden des Hundes beeinträchtigen.

Ethik spielt hier eine entscheidende Rolle: Hunde sind fühlende Lebewesen mit eigenen Bedürfnissen, kein „emotionales Werkzeug“. Sie verdienen es, in ihrer Hundepersönlichkeit respektiert zu werden – mit Freiheiten, die über die Funktion als Trostspender hinausgehen.


Pflege, Gesundheit und Kosten

Fehler 6: Kosten unterschätzen

Viele künftige Hundehalter denken in erster Linie an den Kaufpreis oder die Adoptionsgebühr , wenn sie die Kosten kalkulieren. Doch die wahren Ausgaben beginnen erst nach dem Einzug des Hundes – und sie summieren sich über die Jahre schnell zu einem erheblichen Betrag.

Zu den fixen Kosten zählen Futter, Routineuntersuchungen beim Tierarzt, Impfungen, Wurmkuren und Floh-/Zeckenschutz. Variable und oft unerwartete Kosten entstehen durch Krankheiten, Operationen, Zahnbehandlungen oder Physiotherapie. Gerade im Alter können die Tierarztkosten sprunghaft steigen , wenn chronische Erkrankungen auftreten.

Auch die Ausbildung des Hundes ist ein Faktor: Hundeschule, Einzeltraining oder spezialisierte Trainer, etwa für Verhaltensprobleme, sind nicht nur in der Anfangszeit sinnvoll. Zusatzleistungen wie Hundetagesstätten, Hundesitter oder Urlaubsbetreuung können monatlich schnell dreistellige Beträge ausmachen.


Wichtig zu wissen: Laut Statistiken liegen die durchschnittlichen Haltungskosten eines Hundes in Deutschland bei 1.000–2.000 € pro Jahr – ohne größere tierärztliche Eingriffe. Ein einziger Notfall kann mehrere tausend Euro kosten. Eine Rücklage oder Versicherung ist daher dringend empfehlenswert.


Fehler 7: Pflegeaufwand & Krankheit

Viele angehende Hundehalter verlieben sich in eine Rasse, ohne sich ausreichend mit deren gesundheitlichen Besonderheiten und dem damit verbundenen Pflegeaufwand auseinanderzusetzen. Doch jede Rasse bringt – neben typischen Verhaltensmerkmalen – auch eine genetische Disposition für bestimmte Erkrankungen mit. Wer diese Risiken ignoriert, riskiert nicht nur hohe Tierarztkosten , sondern auch viel Leid für den Hund .


Große Rassen & Gelenkprobleme
Große und schwere Hunde wie Deutscher Schäferhund, Rottweiler, Bernhardiner, Dogge oder Labrador Retriever sind besonders anfällig für Hüftgelenksdysplasie (HD) , Ellenbogendysplasie (ED) und Arthrose . Das liegt an der hohen Belastung des Bewegungsapparates, die durch schnelles Wachstum in der Junghundephase noch verstärkt wird. Viele dieser Rassen neigen auch zu Spondylose und Kreuzbandrissen.


Herzprobleme bei bestimmten Rassen
Der Dobermann ist bekannt für seine genetische Disposition zur dilatativen Kardiomyopathie (DCM) , einer lebensbedrohlichen Herzmuskelerkrankung. Auch Cavalier King Charles Spaniel leiden häufig an Mitralendokardiose (Herzklappeninsuffizienz), die schon in jungen Jahren auftreten kann.


Atemprobleme bei Kurznasenrassen
Hunde wie Französische Bulldogge, Mops, Shih Tzu oder Pekinese haben aufgrund ihres Brachyzephalen Syndroms stark eingeschränkte Atemwege. Das kann zu Atemnot, Überhitzung und erhöhter Narkosegefahr führen – und bedeutet oft kostspielige Operationen.


Erblich bedingte Taubheit und Augenprobleme
Rassen wie Dalmatiner, Australian Shepherd (besonders Merle-Träger), Bullterrier und Catahoula Leopard Dog haben ein erhöhtes Risiko für angeborene Taubheit . Doppelte Merle-Verpaarungen können zudem Blindheit verursachen. Husky, Cocker Spaniel und Retriever neigen zu Katarakt (Grauer Star) oder Progressiver Retinaatrophie (PRA) , die zur Erblindung führen kann.


Haut- und Fellprobleme
Hunde mit Farbverdünnungen wie Blau oder Lilac (z. B. Weimaraner, Französische Bulldogge, Chihuahua) sind oft von Farbverdünnungsalopezie betroffen – einer Hauterkrankung, die zu Haarausfall, Hautentzündungen und Infektionen führen kann. Shar Pei haben durch ihre Hautfalten ein hohes Risiko für Pyodermie , Hefepilzbefall und Reizungen, während Pudel, Bichon Frisé oder Malteser intensiver Fellpflege bedürfen, um Verfilzungen und Hautprobleme zu verhindern.


Besondere Ernährungs- und Haltungsansprüche

  • Border Collie, Australian Shepherd, Sheltie – oft genetische MDR1-Mutation , die sie empfindlich auf bestimmte Medikamente reagieren lässt.

  • Dackel – neigen zu Bandscheibenvorfällen (Dackellähme) aufgrund ihres langen Rückens.

  • Sibirischer Husky, Alaskan Malamute – sehr hohe Bewegungsansprüche, bei Unterforderung psychische Probleme.

  • Neufundländer – empfindlich gegenüber Hitze, hohe Neigung zu Magendrehung .


Pflegeaufwand nicht vergessen
Neben gesundheitlichen Risiken darf der Zeitaufwand für Pflege nicht unterschätzt werden:

  • Langhaarrassen (z. B. Afghanischer Windhund, Bearded Collie, Shih Tzu) benötigen tägliches Bürsten .

  • Doppelfell-Rassen (z. B. Husky, Akita, Malamute) haaren saisonal extrem stark und brauchen intensives Ausbürsten.

  • Hautfaltenrassen (z. B. Shar Pei, Englische Bulldogge) brauchen regelmäßige Reinigung der Hautfalten, um Entzündungen zu vermeiden.

Erziehung, Training und Management

Fehler 8: Alles mit Training lösen wollen

Viele Hundemenschen glauben, dass sich mit konsequenter Erziehung und genug Training jedes Verhalten „wegtrainieren“ lässt. Dieser Gedanke ist nachvollziehbar – schließlich kursieren in den sozialen Medien Videos von Hunden, die perfekt funktionieren, jedes Signal sofort befolgen und scheinbar völlig frei von „Problemen“ sind. Die Realität ist jedoch weitaus komplexer.

Viele Hundemenschen glauben, dass sich mit konsequenter Erziehung und genug Training jedes Verhalten „wegtrainieren“ lässt. Dieser Gedanke ist nachvollziehbar – schließlich kursieren in den sozialen Medien Videos von Hunden, die perfekt funktionieren, jedes Signal sofort befolgen und scheinbar völlig frei von „Problemen“ sind. Die Realität ist jedoch weitaus komplexer.

Kynologisch betrachtet gibt es Verhaltensmuster, die tief in der genetischen Ausstattung eines Hundes verankert sind. Zuchtgeschichte bedeutet Selektion – bestimmte Eigenschaften wurden über Generationen bewusst verstärkt. Dazu gehören nicht nur der Jagdtrieb beim Windhund, sondern auch der Hütetrieb beim Border Collie, die Wachsamkeit beim Herdenschutzhund oder der Schutztrieb bei Molossern. Selbst eine ausgeprägte Umweltsensibilität , wie sie häufig bei Hütehunden vorkommt, ist nicht „Fehler“, sondern Teil ihrer genetischen Prägung.

Diese Veranlagungen lassen sich durch Training zwar modulieren, lenken und kontrollieren , aber nicht vollständig abstellen .

  • Ein Windhund kann lernen, an der Leine ruhig zu bleiben – sein Nervensystem wird jedoch immer darauf reagieren, wenn ein Kaninchen davonläuft.

  • Ein Herdenschutzhund kann lernen, Besucher zu akzeptieren – sein innerer „Alarmmodus“ wird bei Fremden aber niemals verschwinden.

  • Ein Terrier kann Impulskontrolle üben, aber sein Drang, in Löcher zu graben oder Kleintiere aufzuspüren, wird immer Teil seiner Persönlichkeit bleiben.

Psychologisch führt die Überschätzung von Erziehung häufig zu Frustration auf beiden Seiten :

  • Der Mensch ist enttäuscht, weil der Hund trotz „korrektem Training“ nicht „perfekt“ funktioniert.

  • Der Hund gerät unter Druck, weil er Erwartungen nicht erfüllen kann, die seiner Natur widersprechen. Das kann zu Stress, erlernter Hilflosigkeit oder problematischem Verhalten führen.

Hier liegt ein ethischer Knackpunkt : Hunde sind keine formbaren Objekte, die man durch Training nach Wunsch „programmieren“ kann. Sie sind fühlende Lebewesen mit genetischen Anlagen, Bedürfnissen und individuellen Grenzen. Sie zu akzeptieren bedeutet auch, Management-Strategien anzunehmen – also Leine, Maulkorb, kontrollierte Begegnungen und klare Strukturen im Alltag.


Wichtig zu wissen: Manche Verhaltensweisen sind nicht „Fehler“, sondern Rasseeigenschaften . Sie lassen sich nicht einfach abtrainieren. Training bedeutet in vielen Fällen nicht „Umlernen“, sondern Umgang lernen – für Mensch und Hund gleichermaßen. Ein realistischer Blick auf das, was genetisch tief verankert ist, schützt vor Enttäuschungen und schafft fairere Bedingungen für den Hund.


Fehler 9: Impulsive Käufe & Überraschungshunde

Die Vorstellung, einen Hund als Überraschungsgeschenk mitzubringen – sei es zu Weihnachten, zum Geburtstag oder „einfach so“ – mag im ersten Moment romantisch wirken. Doch in der Realität führt diese Entscheidung oft zu massiven Problemen . Ein Hund ist kein Geschenkartikel, sondern ein Lebewesen mit jahrzehntelanger Verantwortung .

Psychologisch betrachtet kann ein Überraschungshund sofort Konflikte in der Familie oder Partnerschaft auslösen. Wenn nicht alle Beteiligten – Partner:in, Kinder, Mitbewohner:innen – im Vorfeld zustimmen und ihre Bereitschaft erklären, Verantwortung zu übernehmen, entstehen schnell Spannungen:

  • Wer übernimmt die Spaziergänge bei schlechtem Wetter?

  • Wer zahlt Tierarzt- und Futterkosten?

  • Wer kümmert sich um den Hund, wenn Beruf, Schule oder Freizeit fordern?

Gerade bei Kindern zeigt sich oft ein bekanntes Muster: Die anfängliche Euphorie hält nur kurz , danach bleibt die Verantwortung doch bei den Eltern. Der Hund leidet dann unter inkonsistenter Erziehung, fehlender Zuwendung und möglicherweise auch Vernachlässigung.

Auch Impulskäufe sind ein häufiger Fehler. Ein Hund aus einer emotionalen Situation heraus – z. B. weil man ein „armes Fell“ auf einem Foto sieht oder einem Welpen an einer Raststätte nicht widerstehen kann – wird selten gut durchdacht. Oft landen diese Hunde nach kurzer Zeit im Tierheim , weil weder Zeit, Geld noch Wissen vorhanden sind.

Kynologisch betrachtet verstärkt sich das Problem noch, wenn der Hund eine Rasse oder Mischung ist, die hohe Ansprüche stellt. Ein impulsiv übernommener Border Collie , der nie arbeiten darf, oder ein „geretteter“ Herdenschutzhund aus dem Ausland, der plötzlich in einer Großstadt lebt, kann schnell überfordern – und leidet massiv unter dieser Diskrepanz.

Ethisch wird klar: Ein Hund ist ein Familienmitglied , kein Überraschungsobjekt. Wer ihn anschafft, trägt die Verantwortung für ein fühlendes Lebewesen über viele Jahre hinweg. Überraschungsgeschenke entwerten diesen Anspruch und missachten das, was Hunde brauchen: Stabilität, Verlässlichkeit und Planung .


Hund als Geschenk?

  • Ein Hund ist keine Überraschung – sondern eine Lebensentscheidung.

  • Impulskäufe und „Rettungen aus Mitleid“ überfordern Halter:innen und enden häufig im Tierheim.

  • Vor der Anschaffung sollten alle Familienmitglieder zustimmen und eine klare Rollenaufteilung festgelegt werden.

Bezugsquelle: Züchter, Tierheim oder Ausland?

Fehler 10: Unseriöse Quelle

Wenn es um die Anschaffung eines Hundes geht, stehen viele Menschen vor der Frage: Züchter oder Tierschutz? Beide Wege können sinnvoll sein – aber beide bergen auch Risiken.

Unseriöse Züchter und Vermehrer
Im Internet oder auf Kleinanzeigenportalen findet man unzählige „Züchter“, die in Wahrheit Massenvermehrer sind. Diese Hunde stammen oft aus illegalem Import oder werden unter katastrophalen Bedingungen vermehrt. Welpen sind dort nicht sozialisiert, wachsen ohne Umwelteinflüsse auf und werden viel zu früh von der Mutter getrennt. Die Folgen: gesundheitliche Probleme, Verhaltensauffälligkeiten, Ängstlichkeit und Aggression .

Seriöse Züchter hingegen arbeiten transparent . Sie lassen Besuche im Zuhause zu, zeigen Muttertier und Aufzuchtbedingungen und beantworten offen alle Fragen. Sie züchten nach Gesundheitsstandards , lassen Gentests durchführen und achten auf die passende Auswahl der Welpen für die zukünftigen Halter:innen. Doch auch hier gilt: Nicht jeder eingetragene Züchter ist automatisch gut. Es gibt auch in Verbänden schwarze Schafe, die mehr Wert auf Optik oder Profit legen als auf Wesen und Gesundheit.

Tierschutz ist nicht gleich Tierschutz
Viele Menschen entscheiden sich für einen Hund aus dem Auslandstierschutz , oft aus Mitgefühl für Bilder von Hunden hinter Gittern. Doch auch hier gilt: Nicht jede Organisation arbeitet seriös. Manche importieren wahllos Hunde nach Deutschland, Österreich oder die Schweiz, ohne die Tiere ausreichend auf ihr zukünftiges Leben vorzubereiten.

Hinzu kommt: Nicht jeder Hund aus dem Ausland passt in ein mitteleuropäisches Lebensumfeld. Häufig handelt es sich um Terrier-Mischlinge oder Herdenschutz-Mischlinge , die über Generationen für ganz bestimmte Aufgaben gezüchtet wurden. Ein Herdenschutzhund, der in Rumänien eigenständig Viehherden bewacht hat, wird in einer deutschen Stadtwohnung nicht automatisch „Familienhund“. Seine genetische Veranlagung bringt hohen Schutztrieb, territoriales Verhalten und Eigenständigkeit mit – Eigenschaften, die schnell zur Herausforderung werden können.

Psychologisch führt das oft zu Überforderung : Hundemenschen erwarten einen dankbaren „geretteten“ Hund, stoßen dann aber auf Angst, Unsicherheit oder Aggression. Ohne Vorerfahrung kann das sowohl für den Hund als auch für die Menschen zu einer belastenden Situation werden.

Ethisch ist wichtig festzuhalten: Tierschutz ist sinnvoll und wichtig – aber er darf nicht bedeuten, Hunde unreflektiert zu importieren oder Menschen mit Hunden zu überfordern, die in ihre Lebensumstände nicht passen. Echter Tierschutz bedeutet, das Wohl des Hundes langfristig im Blick zu haben – und nicht nur die schnelle „Rettung“.

„Viele denken, Tierschutz ist immer die bessere Wahl – aber wir haben gemerkt: Nicht jeder Hund aus dem Ausland passt automatisch in unser Leben. Manche bringen genetische Prägungen mit, die man nicht einfach wegtrainieren kann.“

Lui & Paulina mit Seelenhund Vito & amalia

Über Vitomalia und die Autoren Lui & Paulina

Der Name Vitomalia entstand aus den Namen ihrer beiden geliebten Hunde: Vito und Amalia . Vito, ein sensibler und lebensfroher Hund, begleitete Lui und Paulina durch viele prägende Jahre. Nach langer, schwerer Krankheit mussten sie Vito am 14. Februar 2025 schweren Herzens gehen lassen.

Aus diesem Verlust entstand der Wunsch, das Erlebte nicht nur für sich zu verarbeiten, sondern auch anderen Hundehaltern Mut, Wissen und Trost zu schenken – so wurde der Podcast geboren, als eine Art Trauerbewältigung und zugleich als Plattform, um über Hundehaltung zu sprechen, wie sie wirklich ist: voller Liebe, Herausforderungen und Wachstum.

Lui stammt ursprünglich aus dem Sportbereich, Paulina aus der Psychologie. Ihre gemeinsame Leidenschaft für Hunde führte sie zusammen. Aus einem Hobby wurde eine Berufung: Lui absolvierte die Ausbildung zum Verhaltenstherapeuten für Hunde, Paulina spezialisierte sich auf Hundewissenschaft. Zusammen arbeiteten sie viele Jahre als Hundetrainer, bis sie erkannten, wie groß der Bedarf an sinnvollem und sicherem Hundeequipment ist.

Aus dieser Idee entstand der Vitomalia Online Shop, der heute ihr Hauptaugenmerk ist. Doch ihre Leidenschaft für die enge Zusammenarbeit zwischen Mensch und Hund bleibt ungebrochen. In ihrem Podcast teilen Lui und Paulina ihre Erfahrungen, ihr kynologisches Wissen und möchten einen ehrlichen, realistischen Blick auf Hundehaltung vermitteln – ohne Filter, ohne Klischees, dafür mit Herz und Verstand.

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